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Das Facebook-Datenleck offenbart die Schwächen der Anspruchsdurchsetzung

Nahezu wöchentlich werden neue Entscheidungen zum sog. Facebook-Datenleck veröffentlicht. Das Ergebnis lautet in den meisten Fällen: Kein Anspruch auf Ersatz eines immateriellen Schadens nach Art. 82 DSGVO. Hier einige landgerichtliche Entscheidungen:

  • LG Bonn, Urt. v. 23.2.20223 – 10 O 142/22, GRUR-RS 2023, 2619
  • LG Aachen, Urt. v. 10.2.2023 – 8 O 177/22, GRUR-RS 2023, 2621
  • LG Offenbach, Urt. v. 28.2.2023 – 2 O 98/22
  • LG Verden, Urt. v. 16.2.2023 – 2 O 51/22, GRUR-RS 2023, 2532
  • LG Bonn, Urt. v. 1.2.2023 – 7 O 101/22, GRUR-RS 2023, 2534
  • LG Krefeld, Urt. v. 11.1.2023 – 7 O 113/22, GRUR-RS 2023, 2539
  • LG Heilbronn, Urt. v. 9.2.2023 – 2 O 125/22, GRUR-RS 2023, 2538
  • LG Görlitz, Urt. v. 27.1.2023 – 1 O 101/22
  • LG Ellwangen, Urt. v. 25.1.2023 – 2 O 198/22
  • LG Limburg, Urt. v. 24.1.2023 – 4 O 278/22
  • LG Heilbronn, Urt. v. 13.1.2023 – 8 O 131/22
  • LG Kiel, Urt. v. 12.1.2023 – 6 O 154/22
  • LG Halle (Saale), Urt. v. 28.12.2022 – 6 O 195/22
  • LG Bielefeld, Urt. v. 19.12.2022 – 8 O 182/22
  • LG Gießen, Urt. v. 3.11.2022 – 5 O 195/22

Nur vereinzelt liest man von einer aus Sicht der Betroffenen positiven Entscheidung.

Warum tun sich die Gerichte so schwer einen individuellen Schadenersatzanspruch anzuerkennen? Immerhin wurde Meta doch wegen des Vorfalls von der irischen Datenschutzaufsichtsbehörde mit einem Bußgeld in Höhe von 265 Millionen EUR belegt.

Risiko der persönlichen Anhörung beim private Enforcement

Weil dem Bußgeldverfahren und den zivilrechtlichen Verfahren auf Ersatz des immateriellen Schadens regelmäßig derselbe Sachverhalt zugrunde liegt, könnte man meinen, die Durchsetzung des zivilrechtlichen Anspruches aus Art. 82 DSGVO sei ein Selbstläufer. Entsprechend wird teilweise um potentiell Geschädigte geworben:

Man brauche eigentlich nur prüfen, ob man betroffen sei. Wenn ja, reiche die Registrierung bei einem Anbieter für eine Klage gegen Facebook. Der Auszahlung des Erstattungsanspruches (abzüglich einer „handling fee“) stehe dann eigentlich nichts mehr im Wege. Dabei sollen den Betroffenen die Erfahrungen vieler gleichgelagerter Fälle zugutekommen. Aufgrund der (vermeintlich) identischen Sachverhalte können die Ansprüche angeblich wesentlich effizienter geltend gemacht werden (sprich: mit Hilfe von Textbausteinen).

Das Vertrauen auf solche Werbung scheint derzeit bei vielen Klägern in der Eingangsinstanz enttäuscht zu werden. Ist individueller Sachvortrag erforderlich, nämlich beim erlittenen Schaden, scheint ein Verweis auf Textbausteine die Gerichte zunehmend weniger zu überzeugen.

Problematisch für die Kläger kann es vor allem dann werden, wenn die Gerichte des persönliche Erscheinen anordnen, um sich einen eigenen Eindruck vom Gemütszustand des Klägers zu machen.

Das Landgericht Offenburg schrieb in seinem Urteil vom 28. Februar 2023 – 2 O 98/22 – hierzu (Hervorhebung nur hier):

„Die in den Schriftsätzen beschriebenen formelhaften Ängste und Sorgen, das Unwohlsein, die aufgewendete Zeit und der Stress haben sich in der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung nicht gezeigt. Sie sind Teil einer Klageschrift und Replik, die mit dem gleichen Inhalt in einer Vielzahl von Verfahren rechtshängig wurden. Schon deswegen war der persönliche Eindruck des erkennenden Gerichts vom Kläger in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung entscheidend. In dieser hat der Kläger zunächst geschildert, er habe sich spätestens im Jahr 2001 auf F. angemeldet. Sein F.-Konto bestehe bis heute noch, wobei er dieses noch lediglich sporadisch nutze.

[…]

Das Gericht konnte nicht erkennen, dass der Kläger sich tatsächlich „beobachtet“ gefühlt habe. Er wirkte nicht hilflos oder sah sich zu einem reinen Objekt der Datenverarbeitung degradiert. Das Gericht hält schriftsätzlich behauptete Sorgen und Ängste des Klägers nicht für glaubhaft. Der Kläger war bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung auf F. angemeldet. Erkennbare Konsequenzen hat er nicht gezogen. So kann mit den Angaben des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung eine Verhaltensänderung des Klägers bezüglich der Nutzung von Internet, E-Mail oder SMS im Hinblick auf seine Betroffenheit von dem Scraping-Vorfall gerade nicht festgestellt werden.

[…]

Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger überhaupt irgendwelche Komfort- und Zeiteinbußen im Zusammenhang mit dem Scraping-Vorfall erlitten hat. Anders als schriftsätzlich vorgetragen, musste sich der Kläger gerade nicht mit der Beklagten selbst auseinandersetzen. Er musste insbesondere nicht selbst um Auskunft bitten oder weitere Nachforschungen bezüglich des Scraping-Vorfalls anstellen und hat dies auch nicht getan. Er musste auch nicht den Sachverhalt ermitteln. Er hat geschildert, dass ihn der Scraping-Vorfall, nachdem er aus den Medien von ihm erfahren habe, zunächst nicht näher interessiert habe. Zu einem späteren Zeitpunkt sei er auf die Internetseite der Kanzlei seiner nunmehrigen Prozessbevollmächtigten aufmerksam geworden und habe ein auf der Internetseite angebotenes Abfrageformular genutzt, um zu überprüfen, ob die eigene Handynummer betroffen sei. Dies sei der Fall gewesen. Sodann habe er den Auftrag zur Klageerhebung entweder online oder telefonisch erteilt. Die weitere Kommunikation mit seinen Prozessbevollmächtigten sei per E-Mail erfolgt. Er sei seitens seiner Prozessbevollmächtigten über den Sachstand informiert worden; ein- oder zweimal habe er von sich aus nach dem Bearbeitungsstand gefragt. Am Vortag der mündlichen Verhandlung habe er ein Telefonat mit seinen Prozessbevollmächtigten geführt.“  

Auch das Landgericht Bonn hörte den dortigen Kläger persönlich an und war danach nicht davon überzeugt, dass der Kläger tatsächlich einen immateriellen Schaden erlitten hatte. Zitat aus dem Urteil vom 23. Februar 2023 – 10 O 142/22:

„Das Gericht ist aber auch nach der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht zu der Überzeugung gekommen, dass dem Kläger wegen des Scraping-Vorfalls betreffend die Veröffentlichung der Mobilfunknummer ein konkreter immaterieller Schaden entstanden ist.

[…]

Soweit sich der Kläger darauf beruft, die Informationen der Beklagten seien unübersichtlich und nicht verständlich, ist das bereits nicht glaubhaft, da der Kläger angegeben hat, selbst im IT-Bereich zu arbeiten und sich erkennbar gut mit den Möglichkeiten der Sicherung von Daten auskannte. Dass er die Erklärungen der Beklagten zu den Einstellungen der Privatsphäre zur „Suchbarkeit“ danach nicht verstanden haben will, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar.“

Recht deutlich wurde auch das Landgericht Aachen in einem Urteil vom 10. Februar 2023, 8 O 177/22 (Hervorhebung nur hier):

„Schließlich hat die Klagepartei auch nicht hinreichend substantiiert dargelegt, inwiefern bei ihr persönlich ein immaterieller Schaden eingetreten sein soll. Lediglich pauschal und nichtssagend wird vorgetragen, die Klagepartei leide unter Sorge vor Missbrauch und Furcht vor Kontrollverlust. Wie sich dies konkret in der Person der Klagepartei äußert und welche Symptome im Einzelnen in welcher Häufigkeit und Intensität auftreten, wird jedoch nicht ausgeführt. Auch im Rahmen seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 13.1.2022 konnte der Kläger nicht zur Überzeugung der Kammer darlegen, dass er tatsächlich unter dem angeblichen Kontrollverlust seiner Daten und den schriftsätzlich behaupteten Folgen leidet. Der Kläger hat zwar betont, dass er mit seinen Daten relativ sorgsam umgehe und zur Reduzierung der mit der Zusendung von Spams etc. verbundenen Gefahren mehrere EMail Adressen habe, die er für unterschiedliche Zwecke einsetze. Dass die Einrichtung mehrerer Email Anschriften erst als Folge des streitgegenständlichen Vorfalles erfolgt sei, hat der Kläger allerdings nicht vorgetragen. Der Kläger konnte zudem keinerlei überzeugende Erklärung dafür abgeben, aus welchen Gründen er – obwohl bereits durch seine berufliche Tätigkeit als IT-Systemadministrator für diese Themen sensibilisiert – weder im Zuge der Aktualisierung der Nutzungsbedingungen und der Datenrichtlinie im April 2018 Veranlassung gesehen hat, seine Einstellungen zu überprüfen noch das Bekanntwerden des streitgegenständlichen Vorfalls ihn dazu zeitnah veranlasst hat. Die Einstellung ist vielmehr erst am 3.8.21 geändert worden, nachdem er bereits die Beklagte außergerichtlich in Anspruch hat nehmen lassen.“

Taktik für die Verteidigung

Bereits diese Beispiele zeigen, dass es für die Kläger nachteilig sein kann, wenn Ansprüche massenhaft und mithilfe von Textbausteinen geltend gemacht werden. Das Schadensrecht bringt es nun einmal mit sich, dass nur der individuelle Schaden beansprucht werden kann. Das wiederum heißt auch, dass ein Betroffener zu seinem individuellen Schaden vortragen muss und dies ggf. auch beweisen muss. Textbausteine, die eine Vielzahl von vergleichbaren Fällen erfassen sollen, genügen in Gerichtsverfahren häufig ebensowenig wie floskelhafte Ausführungen zu einem angeblichen Schaden. Es ist nicht verwunderlich, wenn die Gerichte aufgrund einer gemäß § 141 ZPO erfolgten persönlichen Anhörung des Klägers in solchen Fällen zunehmend zu der Erkenntnis gelangen, ein Kläger habe keine „schlaflosen Nächte“ und damit jedenfalls kein Schaden erlitten (vgl. AG München, Urteil vom 8. Februar 2023 – 178 C 13527/22).

Für beklagte Unternehmen kann es gerade bei solchen Datenschutzklagen Sinn machen, anzuregen, den Kläger persönlich anzuhören. Unternehmen, die sich gegen die massenhafte Geltendmachung von Ansprüchen durch Betroffene – gleich aus welchem Rechtsgrund – verteidigen müssen, zeigen die Entscheidungen zum Facebook-Datenleck, dass die Anhörung ein praktisches Werkzeug ist. Insbesondere, wenn der Klagevortrag fast ausschließlich aus mehr oder weniger allgemeinen Ausführungen und Textbausteinen besteht, steht und fällt eine Entscheidung oft (nicht immer) mit den Erläuterungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung.

Weitere Beiträge zum Datenschutzrecht:

 

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