Waffengleichheitsverstoß in Verfügungsverfahren – Empörung vor dem Fachgericht kann man sich sparen
Verstößt ein Land- oder Oberlandesgericht gegen das Gesetz der Waffengleichheit -ja, das BVerfG verwendet selbst den Begriff „Gesetz“-, ist die Empörung oft groß. Nur vor den Fachgerichten hilft zur Schau gestellte Empörung wenig. Denn ein Verstoß gegen die Waffengleichheit kann nach mündlicher Verhandlung für das Fachgericht nie entscheidungserheblich sein (Lerach, WRP 2023, 56; Mantz/Löffel, WRP 2022, 1066 Rn. 54, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das zeigen zwei neue Entscheidungen in einstweiligen Verfügungsverfahren: Das Kammergericht hat in einer – nach meiner Kenntnis noch unveröffentlichten – Entscheidung (5 U 6/21) in einem Verfügungsverfahren Volkswagen gegen Twitter, in dem es um Ansprüche gegen Twitter wegen einer Markenverletzung durch einen Account ging, folgendes gesagt: „Das Vorbringen, die Beschlussverfügung sei unter Verstoß gegen das Gebot der prozessualen Waffengleichheit ergangen, verhilft der Berufung gleichfalls nicht zum Erfolg, und zwar auch dann nicht, wenn es zutreffen sollte.“ Kurzum, der Einwand von Twitter war insoweit völlig irrelevant. Auch das Landgericht Düsseldorf hat in einer neuen Entscheidung in einem Lookalike Fall (hier: Geschmacksmustersache) einen Waffengleichheitsverstoß verneint, Urteil vom 2. Februar 2023, 14c O 74/22 Rn. 60. Es ging um die Teilrücknahme des Verfügungsantrages nach einem gerichtlichen Hinweis, wobei die Konstellation nicht unüblich ist: Dass der Antragsgegner in solchen Fällen vor Erlass der Beschlussverfügung nicht angehört wird, kommt in Verfügungsverfahren immer wieder vor – nach meiner Erfahrung übrigens auch vor Erlass einer Beschlussverfügung im Patentrecht. Man kann nun diskutieren, ob in solchen Fällen eine Anhörung des Gegners erforderlich ist und ob eine fehlende Anhörung vor Erlass der Beschlussverfügung gegen das Gesetz der Waffengleichheit verstößt (hierzu Mantz, Richter am Landgericht Frankfurt a. M., unter 3. a. „Klarstellung des BVerfG wünschenswert“ und Berger, Richter am Landgericht München I, GRUR 2021, 1131, 1137). Im Verfahren vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht macht diese Diskussion jedoch überhaupt keinen Sinn, weil -wie gesagt- ein Verstoß nach Verhandlung nicht mehr entscheidungserheblich sein kann. Ist der Antragsgegner in solchen Fällen der Ansicht, das Gesetz der Waffengleichheit sei verletzt, bleibt also nur ein Eilverfahren beim Bundesverfassungsgericht und eine Verfassungsbeschwerde (wobei man sich bereits mit Blick auf die Kosten fragen sollte, ob neben dem Eilverfahren nach § 32 BVerfGG eine Verfassungsbeschwerde sinnvoll ist, vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Dezember 2022 – 1 BvR 2681/20). Das Bundesverfassungsgericht fungiert jedoch auch in einstweiligen Verfügungsverfahren nicht als Superbeschwerdeinstanz und wird nur in gravierenden Fällen intervenieren, aber nicht jeden Verstoß gegen die Waffengleichheit kontrollieren (Paulus/Lerach, Feschrift für Thomas Dreier, 377, 400). Ein Antrag nach § 32 BVerfGG und/oder eine Verfassungsbeschwerde setzen einen systematischen Verstoß des jeweiligen Gerichts bzw. der Kammer voraus (Mantz/Löffel, WRP 2022, 1066 Rn. 56). Einen solchen systematischen Verstoß gibt es nach meiner unmaßgeblichen Ansicht in Düsseldorf derzeit nicht – jedenfalls nicht bei der im Designrecht hervorragenden 14c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf. Oliver Löffel [Ergänzt am 15. Februar 2023, u.a. Festschrift für Dreier]